In Palermo wehren sich immer mehr Laden- und Kaffeebarbesitzer gegen Schutzgeldzahlungen
Palermo - Ostern auf Sizilien und in Palermo ist ein berühmtes und buntes Fest, doch es ist auch ein Datum, an dem sich einige Unternehmer und Ladenbesitzer wieder einer dunklen Seite der Stadt stellen müssen. Denn wie Weihnachten dient auch Ostern mitunter den Männern von der Mafia als Vorwand, um das "Pizzo", das Schutzgeld, einzufordern - denn gerade an solchen Festtagen brauchen einsitzende Verwandte, Nachbarn und natürlich die Bosse monetären Zuspruch. Doch Schutzgeld einzutreiben ist kein Selbstläufer mehr: Immer mehr Unternehmer und Ladenbesitzer haben Mut und zeigen ihre Erpresser an.
Erst Anfang dieser Woche trugen wieder zwei Polizisten von Palermo eine weiße, mannshohe Schautafel zu einer Pressekonferenz im Polizeipräsidium der Stadt. Darauf waren die Fotos jener acht Mafiosi gepinnt, die der Polizei bei ihrer letzten Anti-Mafia-Aktion ins Netz gingen, der "Operation Addio Pizzo" - "Auf Wiedersehen, Schutzgeld". Recht freundlich sehen die meisten der Männer aus, eigentlich normal, mit ordentlichen Hemden, manche mit Gel in den Haaren, drei von ihnen schon grau. Unter ihren Fotos stehen ihre bürgerlichen Namen, Vittorio Bonura oder Michele Seidita. Doch bei der Mafia hatten sie eigene: Unter den Decknamen "Honda", "Fiat" oder "Orologio" (Uhr), waren sie unterwegs, um Schutzgeld zu erpressen.
"Ohne das Schutzgeld kann die Mafia gar nicht existieren", meint Tano Grasso, der Chef der nationalen Anti-Schutzgeld-Vereinigung, "deshalb sind auch solche kleinen Verhaftungen so wichtig." Kürzlich hat die Mittelstandsvereinigung Confesercenti festgestellt, dass die Mafia mit dem Schutzgeld den meisten Umsatz macht, 40 Milliarden Euro jährlich. Doch entscheidend ist nach Grassos Meinung die Macht über Bars, Diskotheken und Straßenblocks, die all die anderen Geschäfte mit Drogen und Waffen ermöglicht.
"Man muss sich die Mafia vorstellen wie die Berliner Mauer. Nur ist die Mafia-Mauer noch stabiler: Wir haben es bis jetzt nur geschafft, Löcher hineinzuklopfen." Vor allem die Festnahme von Bernardo Provenzano, dem Boss der Bosse, im April 2006 erweist sich immer mehr als schwerer Schlag. Denn die bei ihm gefundenen Notizzettel führten zu weiteren Mafiosi, die auch wieder Notizzettel hatten - so führte der im November festgenommene Provenzano-Erbe Salvatore Lo Piccolo Buch über Schutzgelderpresser und -zahler. Doch gute Polizeiaktionen und geständige Mafiosi gab es schon früher, erst jetzt ziehen auch bisher verschreckte Bürger mit. "Es weht ein Wind der Veränderung durch die Stadt", sagt deshalb Palermos Polizeichef Giuseppe Caruso. "Der Umschwung ist ersichtlich."
"Addio, Schutzgeld" Vor allem eine Anti-Mafia-Vereinigung von jungen Studenten hat in Palermo für die frische Brise gesorgt, auch sie heißt "Addio Pizzo". Die jungen Leute beraten Händler, die gepeinigt werden, sie gehen in die Schulen und informieren die Kinder, sie fordern dazu auf, nur in Läden zu kaufen, die als Nichtschutzgeldzahler vermerkt sind. Jüngst haben sie ihren eigenen Laden eröffnet. Hier werden Wein, Gemüse, Kleidung und Nudeln von garantiert mafiafreien Betrieben verkauft. "Am ersten Tag hatten wir Waren von 30 Händlern, ein paar Tage später schon von 35", erzählt Antonella Lombardi von "Addio Pizzo". Wieder fünf mehr, die sich getraut haben, Nein zu sagen. Die Liste der mafiafreien Läden ist noch zu kurz, nur 240 Namen und Adressen stehen dort. Nicht viel, schließlich zahlen rund 80 Prozent der Läden in Palermo ein oder zwei Mal im Jahr ihre Rate. Auf die nimmt der Druck nun weiter zu, denn wer noch zahlt, wird jetzt verstärkt zur Kasse gebeten. "Für die Verhafteten rücken neue Mafiosi nach", erklärt Schutzgeldexperte Tano Grasso, "und sie wollen beweisen, dass sie ihr Territorium im Griff haben."
Antonella Lombardi von "Addio Pizzo" kämpft schon morgens in der Kaffeebar gegen die Mafia. "Ich trinke meinen Cappuccino morgens nur in einer Bar, die auf unserer Liste steht. Sonst könnte ich ja auch gleich zehn Cent davon der Mafia überweisen."